von Marijke Jährling

Wir veröf­fentlichen hier einen offe­nen Brief der Sän­gerin, Schaus­pielerin und Autorin Mar­ijke Jährling an Beate Hoff­mann, die Bis­chöfin der Evan­ge­lis­chen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Sie hat­te im Vor­feld der Großdemon­stra­tion Früh­lingserwachen in Kas­sel am 20. März 2021 diese Demon­stra­tion auf das scharf­ste verurteilt, wie aus einem Artikel der Welt her­vorge­ht: „Die Bis­chöfin der Evan­ge­lis­chen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Beate Hof­mann, verurteilte die Auss­chre­itun­gen. ‚Freie Mei­n­ungsäußerung ist ein hohes Gut, für dessen Wahrung wir uns ein­set­zen. Aber ein Ver­hal­ten auf ein­er Demo, das Coro­na-Regeln nicht beachtet und mutwillig Ansteck­ungsrisiken in Kauf nimmt, ist kein sin­nvoller Aus­druck der freien Mei­n­ungsäußerung, son­dern höchst fahrläs­sig und ver­ant­wor­tungs­los’, so die Bis­chöfin. Die Mis­sach­tung der Coro­na-Regeln gefährde Menschenleben.“

Sehr geehrte Frau Bis­chöfin Hofmann,
da Sie offen­bar nicht in Kas­sel Augen­zeu­g­in waren möchte ich Ihnen Szenen dieser Demo beschreiben. Ich war mit meinem Mann dort und bin ein Men­sch, der für den Dia­log ist.


Auf­grund ein­er Erkrankung darf ich keine Maske tra­gen. Ich wurde mehrfach von jun­gen Men­schen, die sich als Antifaschis­ten beze­ich­nen, angepö­belt. Der Gipfel war dass diese jun­gen Men­schen mit ein­er Art Straßensperre aus Fahrrädern und ihren Kör­pern mir und meinem Mann den Weg versper­rten, uns belei­digten, wir seien Faschis­ten, und uns tätlich angrif­f­en. Aber nicht etwa diese jun­gen Men­schen – deren Ver­hal­ten für mich mit Antifaschis­mus nichts zu tun hat, son­dern mich eher an die flegel­hafte SA der Zwanziger Jahre erin­nert -, also nicht sie wur­den Gegen­stand polizeilich­er Maß­nah­men, son­dern mein Mann und ich. Obwohl diese jun­gen Men­schen das Gewalt­monopol des Staates mit ihrem Ver­hal­ten ver­höh­nt haben.

Ich habe es satt in einem Land zu leben in dem ich – als Min­der­heit, die auf­grund eines medi­zinis­chen Prob­lems keine Maske tragfen darf – nicht nur zunehmend vom nor­malen All­t­ag aus­geschlossen werde son­dern sog­ar dop­pelt zum Opfer gemacht werde, von diesen selb­ster­nan­nten Antifaschis­ten. Diese Men­schen, die uns ange­grif­f­en haben, wer­den durch Ihre Rhetorik von „Sol­i­dar­ität und Gefährdung ander­er“ dadurch, dass man sich nicht an Regeln halte, auch noch in ihrem Tun bestärkt! Diese jun­gen Men­schen wer­den auch von Ihnen in ihrem Han­deln ermutigt, so wie jed­er einzelne Pöbler in Geschäften und auf Bahn­steigen, dem ich seit über einem Jahr aus­ge­set­zt bin, und nicht nur ich.

Ich bin tief ent­täuscht von ein­er Kirche die sich die But­ter vom Brot hat nehmen lassen, die nicht mal den Ver­such unter­nom­men hat mit den Gläu­bi­gen ihre heilig­sten Feste bege­hen zu kön­nen und auch nicht viel Phan­tasie aufge­bracht hat und Kreativ­ität, es trotz Coro­na zu tun.
Sie und ihre Kirche wer­den sich ein mal mehr vor der Geschichte ver­ant­worten müssen.

Für Geflüchtete set­zen Sie sich zu Recht ein. Was ist mit den Men­schen im eige­nen Land die ihr Recht auf freie Mei­n­ungsäußerung im Geiste eines Dialoges wahrnehmen und bös zur Zielscheibe der all­ge­meinen Dem­a­gogik wer­den, und damit zum Abschuss freigegeben für die Presse, Antifa…
Die übri­gens Polizeis­per­ren über­wun­den und Demon­stran­ten ange­grif­f­en hat! Und Jour­nal­is­ten. Aber so genau will das nie­mand wis­sen, es heißt halt all­ge­mein: Auf den Demos gab es Krawalle, und damit wird sug­geriert, das seien soge­nan­nte Quer­denker. Nein, da waren ganz nor­male Men­schen, die nicht mehr wis­sen wie sie in diesem Land und in diesem Kli­ma leben sollen! Was tun Sie für diese Men­schen? Wo ist Ihre Seelsorge???

Nie­mand leugnet Coro­na. Im Gegen­teil: Die Men­schen, die Coro­na-Pos­i­tiv getestet sind, wer­den in der Quar­an­täne im Stich gelassen. Kein Arzt sucht sie Zuhause auf. Erst wenn sie hos­pi­talpflichtig wer­den, küm­mert sich jemand um sie. Wie man schwere Ver­läufe durch rechtzeit­ige Medika­men­ta­tion ver­hin­dern kön­nte, darum küm­mert sich nie­mand. Das Gesun­deitssys­tem wird krank geschrumpft, ein Großteil der Forschung geht in die Imp­fun­gen, nur ein Bruchteil in wirk­same Medika­mente. Das wis­sen die Men­schen, die auf die Straßen gehen. Sie wis­sen, dass sie im Stich gelassen werden.
Lei­der auch von der Kirche.

Find­en Sie, dass die Men­schen das ver­di­ent haben?

Hochachtun­sgvoll

Mar­ijke Jährling
Sän­gerin, Schaus­pielerin, Autorin