Der Wille steht nicht fürs Werk beim Stromnetz

von Jean-Marie Jacoby

Das Stromnetz, das unbekannte Wesen – Teil 2

In einem ersten Artikel haben wir gezeigt, was wie nötig ist, um das Strom­netz sta­bil zu hal­ten. Forderun­gen wie jene, der Ausstieg aus der Kohle und dem Atom müsse schneller vor sich gehen, riskieren direkt in den Black­out zu führen.

Sind wir ein­mal dort, ist es nicht möglich, das Strom­netz wieder mit Wind­tur­binen und Pho­to­voltaik hochzuziehen. Der Grund ist ein ganz ein­fach­er. Diese Anla­gen speisen über Wech­sel­richter ins Netz, die jew­eils abfra­gen, auf welch­er Fre­quenz dieses ger­ade ist, um dann exakt mit diesem Wert einzus­peisen – also beim Opti­mal­w­ert 50 Hz mit diesem Wert, beim Wert von 49,8 mit diesem. Beim Black­out-Wert von 0,00 geht sich dann gar keine Ein­speisung aus, die Anlage bleibt eben­so abgeschal­tet, wie sie sich oben bei 50,2 Hz abschaltet.

Damit ein Strom­netz wieder hochkommt, braucht es zunächst also Tak­t­ge­ber, um mit langsamer Zuschal­tung von Gebi­eten wieder hoch kom­men zu kön­nen auf ein sta­biles Netz mit 50 Hz. In den meis­ten Län­dern sind dafür die Wasser­laufkraftwerke, die das bei gle­ich­mäßigem Wasser­durch­fluß tun kön­nten, aber zu schwach. In der BRD, an deren Netz Lux­em­burg dran­hängt, ist das der Fall. Dort wer­den dafür Atom- und Braunkohlekraftwerke genutzt.

Wer die abdreht ohne für eine Alter­na­tive vorge­sorgt zu haben, endet im Black­out. Das umso mehr als alle regel­baren Mit­tel­lastkraftwerke auf den fos­silen Energiequellen Steinkohle und Gas auf­bauen, die gle­ich­falls weg sollen.

Raus aus der Kohle, rein in die Kohle

Tat­säch­lich hat­te die BRD gezahlt für die frühzeit­ige Abschal­tung von 11 Kohlekraftwerken mit ein­er Leis­tung von 4,7 GW zum 1.1.2021. Am 8.1.2021 mußte hol­ter­dipolter aber bere­its das erste dieser Kraftwerke wieder ans Netz, weil‘s ohne nicht mehr ging.

Die deutsche Bun­desnet­za­gen­tur hat daher mit­tler­weile unter Protest divers­er Umweltver­bände, die von Fach­wis­sen ungetrübt sind, die bere­its abgeschal­teten Kraftwerke Hey­den, Dat­teln, Wal­sum 9 und West­falen wieder als sys­tem­rel­e­vant ein­stuft. Die Eigen­tümer sind damit zum Weit­er­be­trieb verpflichtet und sie müssen diese Werke als Reservekraftwerke in Bere­itschaft hal­ten. Das bedeutet, daß sie mit voller Drehzahl laufen ohne Strom ins Netz einzus­peisen. Die Rota­tion­sen­ergie ist nötig, um beim Ein­bruch der Net­zfre­quenz die Zeit zu über­brück­en, welche die Mit­tel- und Spitzen­lastkraftwerke brauchen um anzufahren.

Das ist natür­lich unwirtschaftlich, weil damit diese Werke nur sekun­den­weise Strom ein­speisen. Sie, die bish­er den bil­lig­sten Strom liefer­ten, müssen nun sub­ven­tion­iert wer­den für diese Bere­itschaft und für den Umbau als »rotierende Phasen­schieber«, wie das heißt. Die Bun­desnet­za­gen­tur hat bere­its klargestellt, daß diese Aus­gaben als Net­zkosten allen Stromkun­den in Rech­nung gestellt wer­den – also auch den Lux­em­burg­er Kunden.

Dazu kommt es, weil die poli­tis­chen Beschlüsse zur Stil­le­gung der 11 Kohlekraftwerke von Fach­wis­sen ungetrübt getrof­fen wur­den unter dem Beifall der Umweltver­bände. Doch mit diesem Beifall ließen sich die Geset­ze der Physik nicht außer Kraft set­zen – und dabei bleibt‘s unweigerlich.

Ausweg aus dem Blackout

Es sollte allen klar sein, daß es einen Totalzusam­men­bruch unseres gesamten gesellschaftlichen Lebens gibt bei einem länger andauern­den Black­out. Ohne Strom läuft wirk­lich gar nichts mehr – nicht nur die bat­terie-elek­trischen Fahrzeuge. An der Tankstelle gibt es keinen Sprit mehr, wom­it die Frage schnell gek­lärt ist, wie lange ein Not­stro­mag­gre­gat funk­tion­iert. Wobei die wenig­sten Haushalte sowas ihr eigen nennen!

Es sollte also klar sein, daß vor weit­eren Abschal­tun­gen zum Erre­ichen der einge­gan­genen Verpflich­tun­gen im Zusam­men­hang mit dem Paris­er Kli­maabkom­men der sofor­tige Auf­bau ein­er Alter­na­tive ste­hen muß für die Grund­last und die Tak­t­ge­bung, ohne die ein Strom­netz nicht funktioniert.

Es läuft das eben nicht so, daß hier 4,7 GW Kohlekraft abgeschal­tet wer­den und dort 4,7 GW Wind­tur­binen ans Netz gehen wegen der unter­schiedlichen zuvor dargestell­ten Funk­tion­sweise. Daher ist es Wahnsinn, wenn ein Lux­em­burg­er Energiem­i­nis­ter im Brust­ton der Überzeu­gung verkün­det: „Wasser­stoff wird erst nach 2050 interessant”.

Um das wahr zu machen müßte net­ztech­nisch die BRD mit ihrem Wurm­fort­satz Lux­em­burg eine Bat­terie-Spe­icherka­paz­ität im Ter­awat­tbere­ich schaf­fen. Das ist the­o­retisch zwar denkbar und es ist eben­so the­o­retisch eine Lösung fürs Prob­lem, prak­tisch aber ist das tech­nisch wie finanziell undurch­führbar. Es wäre das ein Faß ohne Boden, der kom­plette Ruin durch Strompreise jen­seits von Gut und Böse, jen­seits von allem Bezahlbaren.

Wenn die Fak­ten zeigen, daß es mit ein­fachem Umschal­ten von Kohle auf Wind, von Atom auf Pho­to­voltaik und von Gas auf schon wieder Wind nicht funk­tion­iert, kann die hohe Poli­tik nicht borniert auf falschem Bewußt­sein behar­ren und die einzig mach­bare Alter­na­tive, mit der keine Treib­haus­gase aus­gestoßen wer­den, blockieren.

Denn es geht nicht ohne Wasser­stoff als Mit­tel zum Zweck des Ausstiegs aus fos­silen Energiequellen. Über­gangsmäßig wird es auch nicht möglich sein, den Ausstieg aus dem Erdöl in der Chemiein­dus­trie ohne Über­gangs-Nutzung von Gas zu bew­erk­stel­li­gen, wie es BASF mit North-Stream 2 plant. Dabei soll ein­er­seits Wasser­stoff bere­it­gestellt wer­den, ander­er­seits die C‑Atome genutzt wer­den für das, wo heute Erdöl die Basis ist.


2 Kommentare

  1. hanns graaf

    Welch angenehmes Wun­der, so einen, auf Fach­wis­sen beruhen­den, Artikel auf ein­er linken Seite zu lesen. Das Gros der Linken vertei­digt ja ‑trotz par­tieller Kri­tik – den Irrsinn der Energiewende. Das ist nur ein Beispiel für die Degen­er­a­tion der Linken, die zu ein­er mate­ri­al­is­tis­chen Analyse kaum noch in der Lage ist. Sie stellt genau das dar, was schon Marx u.a. im „Komm. Man­i­fest” als linke Ide­olo­gen kri­tisiert hat.

  2. Roman R.

    Danke für die bei­den wis­senschaftlich fundierten Artikel.

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