„Kühe, Schweine, Ostdeutschland“. Warum ich die Antifa verlassen habe.

Kritik eines Häretikers. Ein Meinungsbeitrag

Im fol­gen­den Essay werde ich aufzeigen, wie ein Fre­und-Feind-Denken und Dia­log-Ver­weigerung nicht zum linken Traum von Utopia führt, son­dern zurück in dunkel­ste Barbarei.

Man kön­nte mich als Häretik­er und Ket­zer des linken Dog­ma­tismus beschreiben, aber mein Anliegen ist keines­falls die Dif­famierung link­er Werte, son­dern der Ruf nach höheren Stan­dards und Authentizität.

Ein Häretik­er ist jemand, der nicht mit ein­er etablierten Ein­stel­lung, Dok­trin oder einem Prinzip kon­form geht. In der The­olo­gie wird Häre­sie wie fol­gt definiert: Ein beken­nen­der Gläu­biger, der religiöse Ansicht­en ver­tritt, die im Gegen­satz zu denen ste­hen, die von sein­er Kirche akzep­tiert wer­den oder Lehren ablehnt, die von dieser Kirche vorgeschrieben werden. 

Fol­gen wir dieser religiösen Def­i­n­i­tion und dehnen sie auf sie auf poli­tis­che Parteien aus, so wäre ein Häretik­er jemand, der öffentlich von den Dok­tri­nen sein­er eige­nen Gruppe abweicht. 

In diesem Sinne bin ich ein Häretik­er der linksau­tonomen Szene, der ich mich für über ein Jahr zuge­hörig gefühlt habe.

Vielle­icht war es durch das Lesen von Mar­shall B. Rosen­bergs Buch „Gewalt­freie Kom­mu­nika­tion, dass ich meine Mei­n­ung fun­da­men­tal änderte, oder es waren Begeg­nun­gen mit radikalen Israel-Fans, welche den Namen eines Panz­ers als ihren Wieder­erken­nungscode nutzten und laut­stark „Bomber Har­ris do it again” skandierten. 

Ket­zer hat­ten es zur Hochzeit der katholis­chen Kirche nicht ein­fach und auch heute dro­ht jedem Häretik­er, der die vorherrschende Mei­n­ung infrage stellt, die max­i­male Strafe – die Ver­bren­nung auf dem dig­i­tal­en Scheiterhaufen.

Eine Kri­tik wie diese läuft Gefahr, sehr viel Applaus oder Schmähung zu erhal­ten, nur der aufmerk­same Leser ist in der Lage, sich an der gemein­samen philosophis­chen Auf­gabe zu beteili­gen, vorge­fer­tigte Mei­n­un­gen zu hin­ter­fra­gen und Ideen nicht nur ober­fläch­lich zu betra­cht­en, son­dern ihnen auf den Grund zu gehen.

Ein Men­sch, der sich tief in sein­er Seele nach ein­er besseren Welt sehnt, darf nicht acht­los mit diesem Wun­sch ver­fahren, son­dern muss sorgfältig prüfen, was zu Fortschritt führt und was uns in düstere Bar­barei zurück­fall­en lässt. 

In diesem Sinne muss der ern­sthaft Suchende sich auch mit den Argu­menten beschäfti­gen, die ihm auf den ersten Blick unan­genehm erscheinen. 

Der Philosoph Wal­ter Kauf­mann beschreibt es wie folgt: 

Die Ver­wen­dung von ‚Glauben‘… beruht auf der Annahme, dass ein Men­sch, der sich inten­siv küm­mert, genü­gend Inter­esse haben kann, um sich mit The­men, Fak­ten, Argu­menten zu beschäfti­gen, die einen entschei­den­den Ein­fluss auf das haben, was er glaubt. Ins­ge­samt gibt es zwei Arten von Glauben: den Glauben eines wahren Gläu­bi­gen und den Glauben eines Häretik­ers.“ (1)

Genau­so wie die radikalen Katho­liken im Mit­te­lal­ter jeden Häretik­er, der nicht an die Karikatur des bär­ti­gen, allmächti­gen Mannes im Him­mel glaubte und die Bibel nicht als einzige wahre Wahrheit anerken­nen wollte, als die Inkar­na­tion des Anti-Chris­ten brand­mark­ten schlim­mer noch, der Häretik­er ist ange­blich im Bunde mit dem Teufel höch­st­per­sön­lich genau­so läuft jed­er Kri­tik­er der Linken Gefahr, als „rechter Spin­ner“ abge­tan zu werden. 

Der katholis­chen Kirche war es egal, was der Häretik­er let­z­tendlich tief in sein­er Seele glaubte, vielle­icht hat­te man lediglich eine agnos­tis­che Vorstel­lung. Genau­so wenig küm­merte es die Kom­mu­nis­ten unter Stal­in, ob jemand eine alter­na­tive Ver­sion des sozial­is­tis­chen Traums anstrebte oder Karl Marx zumin­d­est teil­weise zus­timmte, alles was zählte und auch heute zählt ist: „Entwed­er du bist mit oder gegen uns“ das ist das ulti­ma­tive Mot­to jedes Fanatikers. 

Ich kann dich bere­its jet­zt beruhi­gen: Meine Kri­tik der mod­er­nen Linken entstammt nicht dem sek­tiererischen Geist eines nation­al­is­tis­chen Volk­spropheten, aber aus der Fed­er eines kos­mopoli­tis­chen Frei­denkers, der nichts mehr ver­ab­scheut als sim­plis­tis­che Lösun­gen, rück­wärts­ge­wandte Nos­tal­gie und Ethnozentrismus. 

Meine Kri­tik der mod­er­nen Linken zielt auf das vorherrschende Schwarz-Weiß-Denken und den Dog­ma­tismus und vielle­icht am stärk­sten auf die infla­tionäre Ver­wen­dung von Fah­nen, Sym­bol­en, plaka­tiv­en Parolen und die Uni­formierung als schwarz­er Block. 

Es dreht sich alles um in meinem Bauch, wenn ich eine Gruppe von schwarz gek­lei­de­ten, ver­mummten Men­schen sehe, die im Chor Parolen brüllen und Fah­nen schwenken; vielle­icht ist das eine Untertrei­bung, es ist vielmehr so, dass meine Innereien mit Licht­geschwindigkeit rotieren und es mir schlecht wird, wenn ich sehe, wie junge Men­schen ihrer Indi­vid­u­al­ität zugun­sten der Zuge­hörigkeit zu ein­er Gruppe vol­lkom­men aufgeben. Sprich­wörtlich: „Alleine bist du nichts, in der Gruppe bist du stark“.

„Es ist ein erschreck­ender Gedanke, dass der Men­sch auch eine Schat­ten­seite in sich hat, die nicht nur aus kleinen Schwächen und Marot­ten beste­ht, son­dern aus ein­er ger­adezu dämonis­chen Dynamik. Der Einzelne weiß sel­ten etwas davon; für ihn als Indi­vidu­um ist es unvorstell­bar, dass er jemals unter irgendwelchen Umstän­den über sich hin­auswach­sen sollte. Aber laßt diese harm­losen Geschöpfe eine Masse bilden, und es entste­ht ein wüten­des Unge­heuer; und jed­er Einzelne ist nur eine winzige Zelle im Kör­p­er des Unge­heuers, so daß er es auf Gedeih und Verderb auf seinen … Streifzü­gen begleit­en und ihm sog­ar bis zum Äußer­sten helfen muß. Mit ein­er dun­klen Ahnung von diesen düsteren Möglichkeit­en ver­schließt der Men­sch die Augen vor der Schat­ten­seite der men­schlichen Natur.“

Carl Gus­tav Jung (2).

 

Kühe, Schweine, Ost­deutsch­land. Wie die Antifa die Men­schen in die Hände recht­sex­tremer Dem­a­gogen treibt

Die Antifa-Demon­stra­tion vom 1. Mai 2015 in Tröglitz ist beispiel­haft für alles, was in der linksau­tonomen Szene falsch läuft.

Während die schwarzver­mummten Jugendlichen und Stu­den­ten durch das Dorf ziehen, wer­den im Chor Parolen gerufen wie: „Kühe, Schweine Ost­deutsch­land“ oder „Oohh es kommt die Zeit wenn die Elster wieder steigt“ (ein Fluss) und „Scheiß Dreck­snest! Scheiß Dreck­snest!“.

Die Trans­par­ente zieren Parolen wie: „Deutsch­land ver­recke“, „Land­flucht fördern”, “Dor­fge­mein­schaft zer­stören“ und „Raus aus der Scheiße und rein in die Stadt! Tröglitz denen, die es ver­di­enen“ und „Bomber Har­ris do it again“ (Anspielung auf die Bom­badierung Dresdens).

Ein Video, das dieses Schaus­piel doku­men­tiert, ist auf YouTube zu find­en und wurde von der „Kom­mu­nis­tis­chen Ini­tia­tive Deutsch­lands“ hochge­laden (3).

Der Kom­men­ta­tor merkt passend an: „Bessere Parolen hät­ten die Nazis nicht bestellen kön­nen… mit Antifaschis­mus hat das nicht mehr viel zu tun, es wirkt, als wür­den hier Großs­tadthip­ster im Kolo­nial­her­ren­stil über die Einge­borene richt­en“.

Treibt man mit solchen Parolen die Men­schen nicht erst Recht in die Hände recht­sex­tremer Dem­a­gogen? Rosa Lux­em­burg würde sich in ihrem Grab umdrehen, denn ist es nicht das Ziel von Kom­mu­nis­ten, die Arbeit­er auf ihre Seite zu brin­gen, anstatt im Stile von Kolo­nial­her­ren über sie zu richten?

 

Ein fehlgeleit­eten Menschenbild

Der Aktivis­mus der Antifa basiert mein­er Ansicht nach in großen Teilen auf einem fehlgeleit­eten Menschenbild.

AfDler hät­ten: „Ihr Men­sch­sein ver­wirkt“, schreibt der Sozialdemokrat Igor Lev­it auf Twit­ter – diese Ein­stel­lung ist auch in der Antifa weit verbreitet. 

Ist die Würde des Men­schen antast­bar? Und welche Beispiele aus der Geschichte ken­nen wir, in denen Men­schen ihr Men­sch­sein abge­sprochen wurde?

Der andere Men­sch wird nicht als Indi­vidu­um, son­dern als ein rein poli­tis­ches Sub­jekt gese­hen, sein Poten­zial, sich zu verän­dern, wird ver­nach­läs­sigt, seine Träume und Wün­sche und Gefüh­le wer­den ignori­ert und sein Men­sch­sein einzig und alleine auf seine Grup­pen­zuge­hörigkeit reduziert.

Der Dia­log wird abge­blockt, die Fähigkeit des Men­schen, ratio­nal zu argu­men­tieren, wird verneint und andere Mei­n­un­gen mit allen Mit­tel bekämpft.

Während ich Teil der Antifa war, galt das Dog­ma: „Mit Recht­en spricht man nicht“. Doch schon damals über­wog mein Inter­esse an ein­er leb­haften Debat­te und ich disku­tierte stun­den­lang mit AfD- Abgeordneten.

Ich real­isierte, dass ich der AfD wohl nie zus­tim­men wer­den, aber dass diese Abge­ord­neten keine blutrün­sti­gen Mon­ster sind, son­dern auch ganz nor­male Men­schen, und ich kon­nte ver­ste­hen, wie sie zu ihren Vorstel­lun­gen gekom­men waren.

Ich bin der tiefen Überzeu­gung, dass der Dia­log das zen­trale Mit­tel zum Fortschritt unser­er Zivil­i­sa­tion ist – wie son­st soll jemals der linke Traum des Utopias entste­hen, wenn wir nicht in der Lage sind, mit vie­len ver­schiede­nen Men­schen zu einem gemein­samen Ziel zu kommen?

Ich real­isierte, dass wir durch unser aggres­sives Auftreten genau das Gegen­teil des utopis­chen Geistes repräsen­tierten. Wie soll­ten wir jemals das friedliche Utopia erre­ichen, wenn unsere poli­tis­che Logik auf Kampf und let­z­tendlich Ver­nich­tung des poli­tis­chen Geg­n­ers aufge­baut ist?

Der Dia­log als Mit­tel zur friedlichen Koex­is­tenz wird abgelehnt – doch selb­st in kriegerischen Auseinan­der­set­zun­gen lässt man sich die Option, offen mit dem Feind zu ver­han­deln; alles andere ist Wahnsinn, alles andere führt zu end­losem Krieg.

Der Dia­log ist genau­so wie das Rad eine fun­da­men­tale Ent­deck­ung. Mit dem Rad began­nen die Men­schen sich physisch über weite Streck­en fortzube­we­gen, aber erst mit der Erfind­ung des Dialoges began­nen der friedliche Han­del und der geistige Fortschritt aufzublühen.

Wer wagt es, das Rad zu ver­bi­eten, weil sich auch die Falschen damit fort­be­we­gen könnten?

Es wäre inter­es­sant her­auszufind­en, wie die Welt ausse­hen wür­den, wenn wir kooperieren wür­den, anstatt uns gegen­seit­ig zu bekämpfen.

Vielle­icht ist es Zeit für eine neue undog­ma­tis­che „Antifaschis­tis­che Aktion“? Eine „friedliche Aktion“, die zu Recht von sich sagen kön­nte, in der gewalt­freien Tra­di­tion von Mar­tin Luther King und Mahat­ma Gand­hi zu stehen. 

Sei du selb­st die Verän­derung, die du in der Welt sehen möcht­est“, kön­nte unser Mot­to sein und jeden Men­schen als Men­schen zu sehen, unser Ziel.

Arro­ganz kön­nte unser größter Feind sein und Beschei­den­heit unsere Tugend, denn let­z­tendlich hat der rus­sis­che Lit­er­aturnobel­preisträger Alek­san­dr Solzhen­it­syn recht, wenn er sagt, die Lin­ie zwis­chen Gut und Böse ver­läuft durch das Herz eines jeden Menschen: 

Wenn nur alles so ein­fach wäre! Wenn es nur irgend­wo böse Men­schen gäbe, die heimtück­isch böse Tat­en bege­hen, und es wäre nur notwendig, sie vom Rest von uns zu tren­nen und sie zu ver­nicht­en. Aber die Lin­ie, die Gut und Böse tren­nt, schnei­det durch das Herz eines jeden Men­schen. Und wer ist bere­it, ein Stück seines eige­nen Herzens zu zerstören?“

Alek­san­dr Solzhen­it­syn(4)

 

Zu oft sind wir gefan­gen in einem Schwarz-Weiß-Denken, in welchem wir uns als Engel und die anderen als Teufel sehen, mit Jean Paul Sartres Worten: „Die Hölle sind die anderen“ - aber nichts ist fern­er von der Wahrheit entfernt.

Wir müssen den Mut haben, den Din­gen auf den Grund zu gehen, auch wenn das bedeutet, vorge­fer­tigte Mei­n­un­gen zu über­denken und vielle­icht ist es notwendig, dass wir alle, anstatt falschen Propheten zu fol­gen, zu Häretik­ern und Ket­zern werden. 

Das ist nicht der Ver­such, Diskus­sio­nen zu been­den, son­dern sie zu ent­fachen, denn nur durch den Dia­log kön­nen wir demütig voneinan­der ler­nen, nur durch ständi­ges Hin­ter­fra­gen kön­nen wir wach­sen, auf dass wir alle weit­er nach vorne stolpern, für eine bessere Welt.


1. Wal­ter Kauf­mann: „The Faith of a heretic”(1959). S.3

2. C. G. Jung: „Über die Psy­cholo­gie des Unbe­wussten” (1912). In CW 7: Zwei Auf­sätze zur ana­lytis­chen Psy­cholo­gie. S. 35

3. https://youtu.be/snyhQMfbfgo, siehe auch alter­na­tives Video­ma­te­r­i­al, nicht von Kom­mu­nis­tis­chen Ini­tia­tive: https://www.youtube.com/watch?v=v1J8h6k4jUs

4. Alek­san­dr Solzhen­it­syn: “The Gulag Archipelago”(1973).

4 Kommentare

  1. hanns graaf

    Die autonome Antifa ist ein poli­tisch und tw. auch sozial degener­iertes Milieu, das sich zum größten Teil aus der lohn­ab­hängi­gen Mit­telschicht (zu der auch Studierende gehören) rekru­tiert. Es ist sub­jek­tiv wie objek­tiv von der Arbeit­erk­lasse und ‑bewe­gung isoliert. Es ist Aus­druck ein­er klein­bürg­er­lichen „Mil­i­tanz” wie bei Teilen des Anar­chis­mus oder früher der RAF. Für die Linke und den Klassenkampf ist dieses Milieu unbrauch­bar, ja schädlich. Es ist fatal, dass die „radikale Linke” sich nicht deut­lich­er von diesen dümm­lichen Radikalin­skis dis­tanziert und z.B. den Schwarzen Block nicht kon­se­quent aus linken Aktio­nen her­aus hält. An dieser Ein­schätzung ändert auch die Tat­sache nichts, dass es im Antifa-Milieu dur­chaus auch vernün­ftige Men­schen gibt. Sie müssen mit dem „Autonomis­mus” brechen. Einen wesentlich­er Teil der „autonomen Szene” stellt heute die „links-grüne” Bewe­gung (Ende Gelände, FFF, XR usw.). Diese Kräfte sind objek­tiv die nüt­zlichen Idioten der „grü­nen” Frak­tio­nen des Kap­i­tals und ihrer ide­ol­o­gis­chen Ein­peitsch­er in Poli­tik, Medi­en, bürg­er­lichem Staat und „Wis­senschaft”, die unwis­senschaftliche Behaup­tun­gen von ein­er dro­hen­den Kli­makatas­tro­phe ver­bre­it­en und damit begrün­den, dass jedes Jahr weltweit ca. 100 Mil­liar­den Euro für die aber­witzige Energiewende aus­gegeben bzw. den Massen aus dem Kreuz geleiert werden.

  2. Zombienation

    afa

    früher gin­gen wir noch ins hip­py-haus, die reil78. deren dog­men­scheis­serei und arro­gantes von oben herab-behan­deln ging uns schon immer auf die ner­ven, aber man lebte nebeneinan­der. wenn ich mit denen redete, stellte ich fest, ab einem gewis­sen punkt beißt du bei denen auf gran­it, stößt auf eine art fun­da­men­tal­is­tis­che kog­ni­tive bar­riere. die entziehen sich einem weit­ern dia­log und gehen ein­fach. es wurde immer sinnlos­er mit denen über die jahre und irgend­wann gin­gen wir dort gar­nicht­mehr hin, es gab eh keine guten punk-konz­erte mehr dort.
    im vl war es ähn­lich, nur etwas später. ein­er der knack­punk­te war das oi-plloi konz­ert. der sänger holte eine deutsch­land­fahne her­aus, zün­dete diese an und die menge tobte. dann nahm er eine usa-flagge. erste skep­tis­che blicke von den üblichen. wir jubel­ten. dann das sakri­leg: eine israel-fahne. die eine hälfte am schäu­men, wir am grölen. ab dem punkt, als kat­ta dort das rud­er über­nahm ging es dann ganz schnell. die gesin­nungs-moral­is­ten über­nah­men das rud­er und ekel­ten suzes­sive auch alle anderen linken pro­jek­te heraus.
    das einzige dom­izil, das eh seit jahren anlauf­punk num­mer 1 ist, was blieb war das gig. aber plöt­zlich fing die vl/reil-frak­tion an, denen vorschreiben zu wollen, welche bands dort spie­len dür­fen, welche leute dort hausver­bot haben sollen (ich z.b.).

    Nazi

    ich fing irgend­wann an, meine wut in aktion umzuwan­deln. aber anstatt wie üblich steine zu schmeißen oder autos anzuzün­den, entsch­ied ich mich, nach­haltig im geist der leute ein feuer zu entzün­den. also ging ich auf die strasse und lernte, mit den men­schen zu kom­mu­nizieren und ihnen wis­sen zu ver­mit­teln. das entwick­elte sich, ich lernte öffentlichkeitswirk­samkeit und wurde gegen­stand der lokalpresse.
    mit dem Maid­an-putsch kamen die mon­tags-demos, die ich natür­lich freudig besuchte. men­schen, die wie ich erkan­nt hat­ten, dass hierzu­lande etwas gehörig daneben läuft. mit der schle­ichen­den anteil­nahme vom liebich ent­fer­nte ich mich von der demo, stand am rand um nicht den kon­takt zu den leuten zu ver­lieren und weit­er­hin meine sache zu vertreten. ab diesem zeit­punkt war dann auch die afa regelmäßige gegen­de­mo. ich genau auf der frontlin­ie dazwis­chen. ich durfte die üblichen beißre­flexe und anschuldigun­gen über mich erge­hen lassen. für die afa war ich ab dahin nazi und ziel ihres hasses.

    hausver­bot

    eine mein­er einze­lak­tio­nen, eine störak­tion beim mdr, war so erfol­gre­ich, dass liebich darauf aufmerk­sam wurde und es auf seinem kanal hochlud(ps: danke für die 10.000+ views). das war dann der beweis für die afa’s: ich pak­tiere mir liebich, jet­zt bin ich wirk­lich nazi und bere­it für den abschuß. das erledigten sie aber nicht sel­ber, nein, sie heuerten die leipziger schläger­jungs an. dum­mer­weise kenne ich den typen, der das machen sollte, der sich natür­lich bei mir erkundigte, was da abläuft und dann davon abstand nahm.
    ich ver­suchte es zu klären und ging ins offene plenum des vl. mir wurde keine chance gelassen, hit­lerin kat­ta ver­wies mich des grund­stücks und erteilte mir hausver­bot. ich kam wieder, abends zu ein­er par­ty und blöck­te meinen frust denen durch den zaun ent­ge­gen. mein kol­lege und ich beka­men dafür pfef­fer­spray ins gesicht. eine par­ty später, andere loca­tion, stand plöt­zlich ein schäu­mender mob junger gestal­ten vor mir. sie war­fen mir vor, ich hätte das vl ange­grif­f­en und sei ja sowieso nazi und müsse jet­zt gehen. let­ztlich musste ich gehen, die ver­anstal­ter ließen sich einschüchtern.

    scheisse

    darauhin ging ich am heller­licht­en tag zum vl. zog mir meine hose herunter und set­zte denen einen prachthaufen dessen vor die türe, was sie sind. ein hip­py wollte ger­ade ins haus und fragte: du hast da jet­zt nicht wirk­lich hingeschissen? – ich: ja, siehste de doch! – er: bist du eklig! – ich: na du erst, du gehst in diesen schuppen!

    ver­räter der linke

    so erg­ing es mir auch in der hasi. kaum angekom­men, ste­ht ein junger anti*innen vor mir und faucht mich voll: du hast hier hausver­bot, du musst gehen, du hast in keinem linken pro­jekt was zu suchen, du ver­prügelst leute mit dein­er fahrrad­kette!. der type war genau­so gast wie ich. ich fragte ihn, ob er auch den rest der geschichte erzählen mag, näm­lich dass ich von 5 leuten vor dem vl ver­prügelt wurde und daraufhin seinem kumpel mit mein­er fahrrad­kette sein pfef­fer­spray aus der hand schlug.
    so erg­ing es mir auch in bit­ter­feld. an der kasse kam die kat­ta schon angekrochen und veruchte den ein­lass zu überzeu­gen, dass ich hier nicht rein darf. der ließ mich trotz­dem. kaum hat­te ich mein 1. bier aus­getrunk­en, stand ein mob von ca. 15 leuten um mich und überre­de­ten mich, doch zu gehen. zurück in halle besorgte ich mir ein strassen­schild, ging zum vl und zer­schlug das ein­gangss­child: Vere­inte Linke.

  3. c.w.

    ich kenn solche geschicht­en, bis auf die mit dem haufen, auch aus eigen­er erfahrung. du hast mich eben mit deinen daran erinnert. 

    das mit dem, sich selb­st abschot­ten­den und sich über­wichtig füh­len­den gehabe, stimmt. 

    und ich ent­decke da dur­chaus par­al­le­len zwis­chen gestern und heute. 

    schon „damals” – also 1980 bis 1990- kam nicht jede und jed­er rein in die grup­pen. da wurde man erst beobachtet, begutachtet, unter die lupe genom­men, nicht nur ein­mal einem gespräch unterzogen. 

    man musste sich ja das selb­st­bild der eige­nen gefährlichkeit für das sys­tem erhalten. 

    ich fand das damals schon befremdlich, selt­sam, komisch, aber es gab leute, die mich inter­essierten. ich sym­pa­thisierte mit linken vorstel­lun­gen, die ich bei anderen grup­pen nicht gefun­den hat­te, wollte mich an der verän­derung der lebensver­hält­nisse durch sub- und soziokul­turelle ansätze beteili­gen, auch wenn ich das umkip­pen und abfack­eln von müll­ton­nen als poli­tis­che aktion offen in frage stellte und damit erst­mal eher verdächtig war. 

    trotz­dem ging da mit der zeit, einiges an gemein­samen aktio­nen und pro­jek­ten, es war da zumin­d­est auf die mehrheit bezo­gen, auf jeden fall weitaus mehr sub­stanz als heute. 

    und die mitläufer, dumm­schwätzer und wichtigtuer, säufer, krawall­mach­er und blöd auf dicke lippe mach­er, gab es damals auch schon.

    darüber­hin­aus gab es aber, von eini­gen, geistig und emo­tion­al richtig fähi­gen, auch enorm gute inputs und tragfähige impulse zur zusam­me­nar­beit. auch das habe ich erlebt und es hat spass gemacht und für eine zeit­lang stark zur verän­derung der stadt­struk­turen beigetragen.

    das war nach der zeit, als die räu­mung beset­zer häuser schneller vorang­ing als ihre nach- oder eine neube­set­zung, als neue konzepte gesucht, und dur­chaus aus sol­i­darisch­er not, mit den unter­stützen­den von außen, auch umge­set­zt wurden.

    in dieser zeit set­zten wir uns mit dem „bewe­gungslehre-buch” der ams­ter­damer agen­tur bil­wet auseinan­der. lei­der wurde dieser prozess des nach­denkens über die eigene aus­rich­tung, die eige­nen ziele und das eigene selb­stver­ständ­nis im ver­hält­nis zur gesellschaftlichen response auf­grund der his­torischen ereignisse 89, ich würde fast sagen, zerstört.

    danach igelte sich der großteils des sog. schwarzen block­es, stärk­er noch als vorher, wieder ein. komis­cher­weise liefen mir danach auch immer mehr brain­deade oder auch super­in­tel­li­gente, aber emo­tion­al total verküm­merte leute über den weg, die plöt­zlich in irgendwelchen autonomen-wgs und wohn­pro­jek­ten untergekom­men waren. die abschot­tungsver­suche zeugten so krude soziale exper­i­mente, wie rote zonen mit schwarztieri­gen stadtt­teil­lä­den, die, auch wenn sie sich vom eige­nen anspruch her noch als antikap­i­tal­is­tisch, inter­na­tion­al­is­tisch und rev­o­lu­tionär definierten, bis auf die leg­endär 1x im jahr stat­tfind­ende knast­de­mo und das für alle linken anachro­nis­tis­che 1.mai-fest, die meiste zeit im jahr, nichts weit­er als eine von außen belächelte kleine split­ter­gruppe mit über­höhtem selb­stanspruch war.

  4. JØRGEN

    Applaus Applaus.
    Nur gewalt­frei kann es gehen. Die Linke muss ENDLICH aus den grausamen, mörderischen Fol­gen ihrer radikalisieren­den Kampfrhetorik ler­nen und ver­bal abrüsten. Hitler ori­en­tierte sich beim Auf­bau sein­er Bewe­gung an Ästhetik und Auftreten an der KPD-Mil­i­tanz. In der DDR mit FDJ und Pio­nieror­gan­i­sa­tion der gle­iche total­itäre Kampf­modus. 30 Jahre nach Zusam­men­bruch des zweit­en deutschen Real­sozial­is­mus schon wieder „sol­i­darische” Parolen, Schläger, Fah­nen. WANN set­zt endlich der Lern­prozess ein?

    „Sei du selb­st die Verän­derung, die du in der Welt sehen möchtest“

    1. karmis­ches Prinzip: Tu das, was du dir von der Welt wün­schst, an einem anderen Menschen.

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