Der Verschwörungstheoretiker

von Joachim Kullmann

In let­zter Zeit machen Ver­schwörungs­the­o­retik­er ver­stärkt auf sich aufmerk­sam. Das Wort find­et sich noch nicht in allen Wörter­büch­ern, weshalb eine Begriff­s­analyse hil­fre­ich sein könnte.

Es han­delt sich zunächst um eine Über­set­zung aus dem Amerikanis­chen, wo der Begriff „con­spir­a­cy the­o­ry” in den 60er Jahren von der CIA im Zusam­men­hang mit der Forderung nach ein­er Unter­suchung des Mordes an J.F. Kennedy in Umlauf gebracht wurde, um Unstim­migkeit­en in der offiziell ver­bre­it­eten Ver­sion zu vertuschen.

Es ist allerd­ings nicht ange­bracht, den Ver­schwörungs­the­o­retik­er mit einem Ver­schwörungsleugn­er gle­ichzuset­zen. Abge­se­hen davon, dass der Begriff Ver­schwörungsleugn­er durch seine Her­leitung von dem früher derog­a­tiv gegen Juden gebraucht­en Schimpf­wort Chris­tusleugn­er und auch im Zusam­men­hang mit dem Begriff Holo­caustleugn­er einen anti­semi­tis­chen Anklang hat, trifft es auch keineswegs zu, dass Ver­schwörungs­the­o­retik­er immer auch Ver­schwörungsleugn­er sind. Es ver­hält sich vielmehr so, dass der gewöhn­liche Ver­schwörungs­the­o­retik­er Ver­schwörun­gen in seinem Umfeld (etwa der Regierung, die ihn bezahlt) rundweg leugnet, sie allerd­ings beim Geg­n­er für dur­chaus plau­si­bel erklärt.

Zum Beispiel han­delt es sich für ihn bei der Behaup­tung, führende Poli­tik­er und Ver­fas­sungsrichter seien in die Cum-Ex-Geschäfte ver­wick­elt, um eine reine Ver­schwörungs­the­o­rie, die eher absurde These, Putin habe erfol­g­los ver­sucht, einen recht­sradikalen Ras­sis­ten vergiften zu lassen, wird hinge­gen für abso­lut plau­si­bel erklärt.

Ver­schwörungs­the­o­retik­er zeich­nen sich dadurch aus, dass sie abstruse Ideen mit Tat­sachen ver­men­gen, um bei­des auf die gle­iche Wahrschein­lichkeitsstufe zu stellen. Wenn jemand etwa sagt, dass Angela Merkel eine Finanz­plu­tokratie fördert und von ihr abhängig sei, so inter­pretiert der Ver­schwörungs­the­o­retik­er das so um, als sei behauptet wor­den, Merkel sei ein Alien vom Pluto.

Es ist generell Vor­sicht geboten, wenn man den Begriff Ver­schwörungs­the­o­rie ver­wen­det, denn die Ermit­tlung­shy­pothese eines Krim­i­nal­is­ten sollte man nicht so beze­ich­nen. Eben­so kön­nen wis­senschaftliche Ergeb­nisse oft nur erre­icht wer­den, indem man eine These auf­stellt und diese dann zu beweisen ver­sucht. Das Par­a­dig­ma „Ver­schwörungs­the­o­retik­er” sollte generell als inter­es­sen­geleit­et ange­se­hen wer­den. Es dient vornehm­lich dazu, selek­tiv bes­timmte Ver­schwörun­gen rundweg abzuleug­nen, gle­ichzeit­ig aber auch, krim­i­nal­is­tis­che Ermit­tlun­gen (etwa zur Ver­wick­lung des Ver­fas­sungss­chutzes in Ter­ro­ran­schläge) sowie unvor­ein­genommene wis­senschaftliche Unter­suchun­gen ver­leumderisch zu blockieren.

4 Kommentare

  1. anon

    > Ver­schwörungs­the­o­retik­er zeich­nen sich dadurch aus, dass sie abstruse Ideen mit Tat­sachen vermengen
    Quatsch.

    Ver­schwörung:
    https://www.duden.de/rechtschreibung/Verschwoerung
    Theorie:
    https://www.duden.de/rechtschreibung/Theorie

  2. Anonymous

    wenn eine Regierung falsche Entschei­dun­gen trifft, dann sind die Entschei­dungsträger dumm und/oder korrupt

    Kor­rup­tion bedeutet Ver­schwörung, wom­öglich sog­ar Hochverrat
    Dummheit bedeutet Diskri­m­inierung der Ander­s­denk­enden, wom­öglich sog­ar ein Willkür-Regime

    wenn eine Regierung falsche Entschei­dun­gen trifft, bege­ht sie automa­tisch Folgefehler

    spätestens jet­zt sollte der Anfangs­fehler zu find­en sein

  3. Volker Birk

    Ich hätte eine schöne Ver­schwörungs­the­o­rie: der Bun­destag hat soeben geset­zlich erlaubt, Biowaf­fen gegen die eigene Bevölkerung einzuset­zen. Wo ich das gele­sen habe? In diesem Ver­schwörungs­blättchen hier:

    https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__21.html

  4. Lichthan

    Guten Mor­gen in die Runde,

    gern möchte ich zur Hor­i­zon­ter­weiterung auf fol­gen­den Link aufmerk­sam machen.
    https://www.heise.de/newsticker/meldung/Missing-Link-Verschwoerungstheorien-Karl-Popper-und-die-politische-Diskussion-4117676.html

    Es geht um die Ursprünge von „con­spir­a­cy the­o­ry”, die CIA lediglich übernahm.
    1948 wurde er von Karl Pop­per zunächst in Oxford und Ams­ter­dam in den akademis­chen Diskurs gebracht wor­den sein. Er nahm sie dann auf in spätere Aufla­gen seines Buchs mit dem bemerkenswerten Titel „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde”. 

    Richtig span­nend wird es, wenn erkan­nt wird, dass George Soros 1993 gegrün­dete Stiftung „Open Soci­ety Insti­tute” aus sein­er großen Verehrung für Karl Pop­per basiert. 

    Faz­it: Wir wis­sen, dass wir eigentlich viel zu wenig wis­sen und dass wir hier und da gut berat­en wären, bere­its angeeignetes Wis­sen neu einzuord­nen oder kon­trol­liert über Bord wer­fen sollten. 

    Men­schen wer­den gesucht, die es ehrlich mit uns Men­schen meinen. Don’t give up!

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