von Georg Manthey
Vorbemerkung der Redaktion: Diese hier zu sehende Rede wurde am 1. Mai auf der Demonstration der Freien Linken und Berliner Kommunarden vorgetragen.
Mein Name ist Georg Manthey. Ich bin Mediengestalter und Mitglied der Partei DIE LINKE im Bezirksverband Friedrichshain-Kreuzberg. Vor der Corona-Krise arbeitete ich für die Bezirksfraktion der Linken in der BVV als Grafiker.
Am 1. Mai des vergangenen Jahres schrieb ich meinen ersten offenen Brief an meine lieben Genossinnen und Genossen, um einen differenzierteren Blick auf die Corona-Frage zu werfen und um die Gefahren für unsere freiheitliche Ordnung aufzuzeigen. Dem ersten folgte der zweite offene Brief vor den Massenprotesten am 1. August auf der Straße des 17. Juni. Nach meinem dritten offenen Brief vor den Protesten am 29. August beendete die Bezirksfraktion die Zusammenarbeitet mir. Ich habe zu keinem Zeitpunkt die Partei oder einzelne Personen kritisiert oder gar beleidigt.
Danach schloss ich mich der Initiative der Querdenker an und habe dort als Mediengestalter redaktionelle Aufgaben übernommen und mich als Aktivist an der Planung und Durchführung von Demonstrationen beteiligt. So war ich dort häufig in einer leitenden Position tätig und habe tiefe Einblicke in die Strukturen der Querdenken Initiative erhalten – und auch wenn diese in vielerlei Hinsicht kritisch betrachtet werden kann, mit rechtsradikalen Personen aber, hatte ich es zu keinem Zeitpunkt zu tun!
Wie nur wenige andere bin ich ein Kind dieser Stadt. Mein Großvater hatte eine Kneipe in der Möckernstraße in Kreuzberg, mein Vater war 12 Jahre alt, als eine Mauer durch seine Straße gebaut wurde, in der er lebte und ich war 10 Jahre als sie wieder viel. Wie kaum eine andere Stadt erzählt uns unser Berlin, seine Straßen, Häuser, Brücken und Gassen und die Menschen und Familien, die in ihnen leben von den Irrwegen der Geschichte und von der Hybris der Mächtigen, aber auch von der Tugend und dem starken Willen der einfachen Menschen.
Wann immer ich durch diese Straßen unserer Heimat schlendere, mit den Händen in den Taschen, sehe ich so viel Gutes, dass aus ihren Irrwegen erwuchs.
Wenn ich sehe, wie Menschen vor dem Eingang zu unserem Arzt an der Ecke Schlange stehen, weiß ich, dass sie von einer Krankenversicherung geschützt werden, die ein Privileg ist, dass einst erkämpft werden musste.
Wenn ich meine alte Nachbarin sehe, wie sie mit einem vollen Einkaufswagen nach Hause kommt, weiß ich dass sie von einer Rente lebt, die einst erkämpft werden musste.
Wenn ich die jungen Frauen sehe, die in ihren schicken Klamotten am Mittag von einer Party nach Hause gehen, weiß ich, dass auch ihre Freizügigkeit einst erkämpft werden musste.
Und wenn ich meinen Freund Jussuf begegne, weiß ich, dass auch sein Recht auf eine lebenswerte Zukunft in unserem Land immer wieder auf das Neue erkämpft werden muss.
Und selbst wenn ich an der Frankfurter Allee sitze und den Lärm und den Gestank der vielen Autos bemerke, so ist mir klar, dass selbst der Diesel Motor einst erfunden wurde von einem Sozialisten für das Wohl aller Menschen unter der Sonne und all das Gute, all die Freiheiten und Annehmlichkeiten unserer Zeit, einst erkämpft werden musste mit dem Schweiß, den Tränen und auch dem Blut der guten und einfachen Menschen.
Sicherlich ist es leicht, jene zu kritisieren, die in Verantwortung stehen und zwischen der Sicherheit und der Freiheit von allen Menschen stetig auf das Neue abwägen müssen. All zu leicht ist es mit dem Fuß aufzustampfen und Erwartungen an jene zu stellen, die die Last der Verantwortung für so viele Menschen und ihren unterschiedlichen Bedürfnissen auf ihren Schultern tragen müssen. UND NEIN, ich beneide sie wahrlich nicht um ihre Position in dieser schweren Zeit.
Denn als Sozialist weiß ich, dass alle Notstände, wie auch alle Missstände in der Gesellschaft sich immer zuerst bei den Einfachen und Schwachen zeigen. Deshalb ist es unsere Pflicht, als Linke, als Sozialistinnen und Sozialisten, als Antifaschistinnen und Antifaschisten, immer zuerst das Wohl und Weh der Armen und der Schwächsten im Herzen zu tragen UND mit Vorsicht zu walten, wenn es um die Kritik an den Maßnahmen gegen das Corona-Virus geht oder die damit verbundenen Einschränkungen für die Menschen.
Notstände treffen die Ärmsten immer zuerst und am härtesten. Und daher muss ich mich Fragen, WO sind die Betroffenen der Pandemie? Ob Mexiko-City, Sao Paulo, Kinshasa, Kairo, Neu Delhi oder Jakarta – in den Mega Städten dieser Welt, bei den Ärmsten der Armen, fehlen die Anzeichen für eine weltweite Katastrophe. Es fehlen die Slums mit den ausgestoßenen Kranken und Siechenden. Es fehlen die tausenden Toten!
Was ist mit Tokyo, einem gewaltigen Ballungsgebiet mit einem hohen Altersdurchschnitt in der Bevölkerung? Keine Übersterblichkeit, keine Überlastung der Gesundheitssysteme! Oder was ist mit den armen Ländern in Europa, wie Rumänien oder Bulgarien? Dort müssten längst viele Menschen der Epidemie zum Opfer gefallen – und die stark unterfinanzierten Gesundheitssysteme längst überlastet sein – Doch nichts von alle dem!
Stattdessen erleben wir die dramatischsten Einschränkungen aller unveräußerlichen Grundrechte, die dieses Land seit seinem Bestehen erleben musste. Die Versammlungsfreiheit, die Reisefreiheit im eigenen Land und die Unversehrtheit der Wohnung sind auf ein ungeheures Niveau eingeschränkt worden. Präsidialkabinette regieren durch Notstandsverordnungen das Land zentralistisch und autokratisch. Wir erleben wie kritische Stimmen ausgegrenzt und mundtot gemacht werden. Unternehmern werden die Konten geschlossen, Ärzten wird die Approbation entzogen, Journalisten auf Medienportalen gesperrt – und viele bangen um ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage.
Die Demokratie, wie sie unsere Mütter und Väter erbauten, auf den Trümmern der Hybris der Mächtigen, hat nun keinen Bestand mehr. Selbst Kinder werden isoliert und verängstigt. Sie sollen Masken tragen, die ihnen das Atmen erschweren und sich selbst regelmäßig schmerzhaften Test unterziehen, die sie weit in die eigene Nase einführen müssen und deren Ergebnisse nicht einer ärztlichen Schweigepflicht unterliegen. Bald schon wird man ihnen in Massen experimentelle Impfstoffe verabreichen, die ihre Zellen genetisch verändern und deren Wirkung fragwürdig ist und die unzulänglich erprobt wurden.
Und die politische Linke? Ihr Schweigen ist ohrenbetäubend! Nein, sie stimmten im Bundestag NICHT für die Notstandsverordnungen. Doch sie beteiligen sich sehr konkret und bewusst an der Ausgrenzung und Diffamierung der kritischen Stimmen in diesem Land, auch derer aus den eigenen Reihen! Auch Ignoranz ist eine Form von Gewalt. Nach Vogelpest und Schweinegrippe muss das Argument gehört werden, dass vor einer Verblendung durch die Big-Pharma-Lobby warnt. Doch die Linke macht sich zum Steigbügelhalter einer völlig entgleisten Chemieindustrie, die in der Tradition der Massenmörder von IG Farben während der Shoah stehen!
Als es um die Frage des TTIP-Abkommens mit den USA ging, standen die großen Linken unserer Tage Schulter an Schulter vor der Kamera – Wolfgang Wodarg und Sarah Wagenknecht, als Speerspitze der Freiheit gegen den Finanzkapitalismus. Doch heute sind sie Ausgestoßene, von den eigenen Parteien ausgegrenzt und mundtot gemacht, als fürchte man sich zu sehr in den eigenen Reihen vor ihrem Schneid.
Längst muss jede und jeder klar denkende Linke verstanden haben, dass der Virus, der unsere Gesellschaft zersetzt nicht CORONA heißt, sondern KAPITALISMUS! Und das das System der „marktkonformen Demokratie“ und des entarteten Finanzkapitalismus an ihrer eigenen Dysfunktionalität gescheitert sind und zu viele Zeichen dieses Kollaps unserer Wirtschaftsordnung zuvor sehenden Auges ignoriert wurden.
NEIN, die Alternative ist kein Sozialismus nach chinesischem Modell. Der KORPORATISMUS, die unheilige Allianz zwischen einem autokratischen Nachtwächter-Staat und einer zügellos entfesselten Wirtschaft der Eliten, ist nicht vereinbar mit den Werten unserer Mütter und Väter oder einer freiheitlichen Gesellschaft. Es ist nunmehr nicht die Zeit für Forderungen oder für sozial-romantische Experimente. Vielmehr gilt es heute mehr denn je die Errungenschaften und den Wohlstand zu bewahren und an unseren freiheitlichen Grundwerten festzuhalten, die durch das Grundgesetz verankert wurden.
Deshalb fordere ich nicht, ich appelliere an alle demokratischen und antiautoritären Kräfte, gemeinsam in den Dialog zu treten, in eine Debatte um eine moderne, selbstbestimmte und aufgeklärte Gesellschaft. Denn die Meinung zählt nichts, aber das Argument zählt alles!
Vielen Dank
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