von Alexander Kalex
Der Pariser Kommune zum Gedächtnis
Welterschütterndes vollzog sich in den Tagen von März bis Mai 1871 in Paris. Die unbezwingbar scheinende Macht des Kapitals wurde in einer proletarischen Revolution herausgefordert: der Kommune von Paris.
1870/71 hatten die besitzenden Klassen Deutschlands und Frankreichs die Völker in einen brudermörderischen Krieg gehetzt, der nicht der ihre war. Im März 1871 war die Armee des französischen Kaisers Napoleon III. geschlagen. Die deutschen Truppen standen, kommandiert von der preußischen Militaristenkaste, vor Paris. Schon lange war aus dem ursprünglichen Verteidigungskrieg ein Angriffskrieg geworden, wie August Bebel und Wilhelm Liebknecht unermüdlich anprangerten. Gegen das wütende Geheul der preußischen Junker und ihrer Stiefellecker. Das Volk von Paris, geführt von der proletarisch geprägten Nationalgarde, bereitete sich auf die Verteidigung vor. Aus Angst vor dem bewaffneten Volk, wurde der Versuch unternommen, der Nationalgarde ihre Geschütze zu entziehen und „sicheren“, der bürgerlichen Macht treu ergebenen, Truppenteilen zuzuführen. Dieser Versuch wurde abgewehrt. Teile der Armee gingen auf die Seite des Volkes über. Das Zentralkomitee der Nationalgarde übernahm am 18. März 1871 die Macht in Paris. Ein historisches Datum bis heute, denn es handelte sich um die erste proletarische Staatsmacht der Welt.
Das ZK suchte nach einer demokratischen Legitimation der neuen Macht und schrieb Wahlen zum Gemeinderat aus. Eben der Kommune. Es behielt sich nur das militärische Kommando vor. Unter den in den bürgerlichen Stadtvierteln Gewählten befanden sich auch Gegner der Revolution, diese nahmen die Wahl jedoch nicht an. So ergab sich eine sozialistische Mehrheit unterschiedlicher Strömungen in der Kommune: Vertreter der Nationalgarde, Sympathisanten des französischen Sozialisten Blanqui und Anhänger von Marx und der Internationalen Arbeiterassoziation.
Die vorher noch einander feindlichen Ausbeuter der Völker erkannten den gemeinsamen Feind. Schnell wurde das Kriegsbeil zwischen ihnen begraben. Französische Truppen wurden zu tausenden aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und gegen das rote Paris in Marsch gesetzt. Gemeinsam belagerten deutsche und französische Armeen die Arbeiterfestung. Die Kommune verkündete die allgemeine Volksbewaffnung. Damit war der Kern des alten Staates, eine Gruppe bewaffneter Menschen um das Volk in Knechtschaft zu halten, getroffen. Es war nicht mehr der alte Staat, der in Paris herrschte. Es war ein neuer Arbeiterstaat.
Die bürgerliche Regierung war nach Versailles geflohen. Es wäre lebensnotwendig für die Revolution gewesen, sie dorthin zu verfolgen und im Angriff zu bleiben. Zaghafte Versuche jedoch misslangen und wurden schließlich eingestellt. Die Konterrevolution konnte sich sammeln und zum Gegenangriff übergehen. Am 21. Mai drangen nach zäher Verteidigung Truppen der konterrevolutionären Regierung in Paris ein. Die Kämpfe setzen sich noch bis zum 28. Mai fort, als die letzten Verteidiger der Kommune an der „Mauer der Kommunarden“ am Südende des Friedhofs Pere Lachaise erschossen wurden. Die Zahl der Gefallenen ist nicht gewiss. Es wird von einer Zahl zwischen 7.000 und 30.000 gesprochen. 40.000 Revolutionäre wurden inhaftiert, viele von ihnen in die Kolonien deportiert. Unter ihnen die beiden Kommunardinnen Nathalie Lemel, Buchbinderin und Mitglied der Internationalen Arbeiterassoziation und Louise Michel, Lehrerin und Anarchistin.
Generell waren die Frauen eine aktive und vorwärts treibende Kraft der Kommune gewesen. Sie organisierten sich, stellten soziale und politische Forderungen und und setzen sie durch. Sie hielten Bildungs- und Gesundheitswesen am Laufen und sie kämpften und starben mit der Waffe in der Hand auf den Barrikaden. Nathalie Lemel hatte zusammen mit Elisabeth Dimitrieff die Union der Frauen gegründet, die erste feministisch-sozialistische Massenorganisation. Sie formulierte die Forderung nach Recht auf Arbeit und gleichen Lohn für Frauen und Männer, die rechtliche Gleichstellung nichtehelicher Kinder, die Säkularisierung von Bildung und Krankenpflege. Und sie setzte diese Forderungen durch.
Weitere soziale Dekrete der Kommune betrafen z. B. das Verbot der Nachtarbeit für Bäckergesellen, die Rückgabe verpfändeter Gegenstände, besonders Möbel, Kleidung und Bücher, den Erlass rückständiger Mieten. Und die Frage des Privateigentums an den Produktionsmitteln wurde auf den Tisch gelegt. Die Fabriken von Eigentümern, die vor der Revolution geflohen waren, wurden den Arbeitern als kollektives Eigentum übergeben. Was jedoch nicht geschah, war die Verstaatlichung der Bank von Frankreich. Durch dieses Versäumnis stand sie weiter zur Verfügung der Konterrevolution.
In seiner Schrift Staat und Revolution wies Lenin später darauf hin, dass die Erfahrungen der Kommune Marx zur einzigen nachträglichen Korrektur am Kommunistischen Manifest nötigten. Im letzten gemeinsamen Vorwort von Marx und Engels zur deutschen Ausgabe von 1872 wiesen sie darauf hin, dass die Kommune bewiesen habe, dass der alte Staat nicht einfach übernommen und für die Bedürfnisse des Volkes in Bewegung gesetzt werden könne sondern dass er zerschlagen und auf seinen Trümmern eine neue Volksmacht errichtet werden müsse.
Unmittelbar nach der Niederschlagung der Revolution schrieb der Transportarbeiter und Kommunarde Eugene Pottier das Lied, das die internationale Arbeiterklasse für immer begleiten wird, als Zeichen der Hoffnung und des unzerstörbaren Mutes: Die Internationale.
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