Abschlusskommuniqué der 1. Konferenz der Anti-Lockdown-Linken vom 27. März 2021

Wir veröf­fentlichen hier das Abschlusskom­mu­niqué der 1. Kon­ferenz der Anti-Lock­down-Linken vom 27. März 2021. Auf diesen Text haben sich alle Anwe­senden aus Deutsch­land und Öster­re­ich geeinigt.

Das poli­tis­che Sys­tem der oft patri­ar­chal geprägten kap­i­tal­is­tis­chen Demokra­tien ist schon lange am Ende. Die neolib­erale Umgestal­tung dieser Gesellschaften erset­zt deren demokratis­che Ele­mente durch die zunehmende Mach­tausübung ein­er glob­alen, kap­i­tal­is­tis­chen Oli­garchie. Die Reichen wer­den reich­er und mächtiger, die Armen ärmer und poli­tisch ein­flus­slos­er. Inzwis­chen ist die demokratis­che und rechtsstaatliche Fas­sade gefall­en. Die fak­tis­chen Machtzen­tren agieren unver­hohlen autoritär, eine kaum noch zu kaschierende Dik­tatur zeich­net sich ab. Dass eine sta­tis­tisch nur begren­zt sig­nifikante Atemwegserkrankung Ursache dieser mas­siv­en weltweit­en Umwälzun­gen ist, scheint äußerst unwahrscheinlich.

Heute kann kein endgültiges Urteil über die vor unseren Augen sich abspie­len­den Prozesse gefällt wer­den. Die Tat­sache, dass beina­he alle Län­der dieser Erde frei­willig oder gezwun­gener­maßen mit­machen, schließt etwa ein Staatsver­sagen als Erk­lärung weitest­ge­hend aus, obwohl, was nur vorder­gründig para­dox ist, offen­sichtlich ein mas­sives Staatsver­sagen wie ein Ver­sagen ratio­naler gesellschaftlich­er Urteils- und Entschei­dungs­find­ung vorliegt.

Ohne eine fundierte Analyse ökonomis­ch­er und gesellschaftlich­er Hin­ter­gründe wird eine Linke keine poli­tis­che Hand­lungs­fähigkeit zurück­gewin­nen kön­nen. Unklar hinge­gen ist noch, ob wir eine Krise erleben, in der durch enorme „schöpferische Zer­störung“ – ver­gle­ich­bar mit einem Krieg – eine neue lange Welle mit expan­siv­er Ten­denz zum Durch­bruch gelangt oder ob der Kap­i­tal­is­mus durch das Gesetz vom ten­den­ziellen Fall der Prof­i­trate seine imma­nente Gren­ze erre­icht hat, die wom­öglich das Ende des Lohn­ab­hängigkeitsver­hält­niss­es markiert und neo­feu­dale oder gar neosklavis­che Abhängigkeitsstruk­turen her­vor­bringt, die in Ansätzen schon zu erah­nen wie res­o­lut zu bekämpfen sind.

Warum die Linke ver­sagt hat, kann vor­erst dahin­ste­hen. In Anbe­tra­cht der katas­trophalen Fol­gen dieses glob­alen, so nie gese­henen, Staat­stre­ich­es für fast die gesamte Men­schheit auf ökonomis­ch­er, sozialer, psy­chis­ch­er und gesund­heitlich­er Ebene ste­ht es völ­lig außer Frage, dass es eine grundle­gende Erneuerung der Linken braucht, die die soziale, ökol­o­gis­che wie die Frage nach dem Frieden als wesentliche Ele­mente des Frei­heit­skampfes stellt und beantwortet.

Forderun­gen an „die Poli­tik“ muss die Linke zwar weit­er­hin stellen, indem sie von den Herrschen­den die Ein­hal­tung ihres selb­st­ge­set­zten Rah­mens, der Bürg­er- und Men­schen­rechte ein­fordert. Darüber hin­aus müssen wir unsere Kräfte sam­meln und eine Gegen­macht organ­isieren, um selb­st die lange über­fäl­lige Trans­for­ma­tion hin zu ein­er freien, gerecht­en, friedlichen, sozialen und ökol­o­gisch nach­halti­gen Gesellschaft in Eigen­ver­ant­wor­tung und Selb­st­bes­tim­mung zu gestal­ten. Dazu muss sie sich von Grund auf hin­ter­fra­gen und den kolos­salen Man­gel an empirisch gestützter The­o­rie wie den noch bit­teren Ver­lust an poli­tis­ch­er Glaub­würdigkeit und Organ­isiertheit über­winden, um sich über­haupt in den Stand der poli­tis­chen Ermäch­ti­gung zu set­zen. Vor allem aber muss sie dies mit und durch die Bevölkerung tun – nie gegen sie. Da dies nicht im Han­dum­drehen geschehen wird, sind dazu weit­ere Über­legun­gen anzustellen und Struk­turen aufzubauen, die diese Prozesse unter­stützen. Die heutige Kon­ferenz war dazu nur ein erster Schritt.

Unab­d­ing­bar ist das Inter­ve­nieren mit linken Posi­tio­nen und real­is­tis­chen Lösungsan­sätzen in die Massen­proteste gegen die unter­drück­erischen und tyran­nis­chen Regime – auch um der realen Gefahr vorzubeu­gen, dass rechte Dem­a­gogen mit ihren verkürzten Analy­sen und ihrer het­zerischen Rhetorik die Unzufrieden­heit zur Stützung eines obso­leten Wirtschaftssys­tems unter ihrer Herrschaft mit Unter­stützung der Kap­i­tal­frak­tion kanalisieren.

So tief die Krise der Linken auch ist, so unleug­bar ist, dass sie gebraucht wird. Sie wurde und wird ver­misst. Die Men­schen warten auf eine starke, glaub­würdi­ge und volk­sna­he Linke. Um den darnieder gewor­fe­nen Men­schen wieder zu ihrem Men­schen­recht, Frei­heit, geisti­gen und sozialen Höhen zu ver­helfen, muss die Linke als Gle­iche unter Gle­ichen mit den Men­schen für ihre Befreiung kämpfen, ihre Anliegen ver­ste­hen, ihre Sprache sprechen, mit ihnen ver­schmelzen und gemein­sam zu ein­er Kraft wach­sen, die das Joch jeglich­er Unter­drück­ung und ihrer Ursachen abzuw­er­fen im Stande ist.

6 Kommentare

  1. Ringo

    So und nicht anders! Venceremos!

  2. hanns graaf

    Ins­ge­samt gute Res­o­lu­tion. Aber: die Erneuerung der Linken muss sich a) primär auf die Arbeit­erk­lasse bzw. die Lohn­ab­hängi­gen beziehen, nicht (nur) auf „das Volk”. B) muss die Linke eine grund­sät­zliche Sys­temal­ter­na­tive aufzeigen. Diese kann nur der Kom­mu­nis­mus sein (nicht zu ver­wech­seln mit dem staatkap­i­tal­is­tis­chen Ost­block). Wie müssen wieder die Methodik von Marx anwen­den – v.a. auf den Marx­is­mus selb­st. Was die FL braucht, ist der Beginn der Erar­beitung ein­er Programmatik.

    • Cebe

      Richtig !! Der Kom­mu­nis­mus wurde weltweit mit den falschen Schein­wer­fern „bestrahlt”. (…,…,… ♾️)

    • Anonymous

      „Tat­sache ist, dass Tron­ti nicht aufhört, sich auf die Suche nach einem Klassenkampf im Reinzu­s­tand zu machen, und in einem neueren Essay, das mehr als vier Jarzehnte nach Arbeit­er und Kap­i­tal erschien, glaubt er endlich, ihn iden­ti­fz­izieren zu kön­nen: „Das Jahr 1969 ist das wahre annus mirabilis […] 1969 war nicht von Anti­au­tori­taris­mus die Rede, son­dern von Antikap­i­tal­is­mus. Arbeit­er und Kap­i­tal standen sich physisch gegenüber” (Tron­ti 2009, S. 21). Er bezieht sich hier wed­er auf Eng­land noch die Vere­inigten Staat­en, son­dern auf Ital­ien. Erwäh­nenswert ist, das Tron­ti, um den Klassenkampf in Reinkul­tur zu find­en, sich auf ein Land beziehen musste, in dem die Kom­mu­nis­tis­che Partei einen sehr großen Ein­fluss ausübte, und zwar dank ein­er poli­tis­chen Lin­ie, die bre­ite Bünd­nisse anstrebte, die der The­o­retik­er des Operais­mus in kein­er Weise teilen konnte.”

      Losur­do, West­lich­er Marx­is­mus, S. 89.

  3. Cebe

    Es ist an der Zeit die „Dinge” mit der nöti­gen Ern­sthaftigkeit zu betrachten.
    Ich z.B. sehe mich eher als Kom­mu­narde und Sozial­ist. Und wenn wir nicht bald anfan­gen Verzicht zu üben, wer­den es die „Nachrück­enden” teuer mit Gesund­heit und einem friedlichen Miteinan­der „zahlen” müssen. (…,…, ♾️) ?

    • Anonymous

      Nein, nein, wir verzicht­en nicht, wir nehmen uns, was uns gehört!

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